Wenn die Trauer um sich schlägt

Wenn mich etwas bewegt, dann schreibe ich….so war das zumindest einmal. Doch nun ist dieser Blog verstaubt. Über ein Jahr ist es her, dass ich einen Beitrag verfasst habe. Ich habe nun jedoch beschlossen, den Staubwedel in die Hand zu nehmen, um hier wieder alles auf Vordermann zu bringen. Und ich habe auch beschlossen wieder zu schreiben. Weil es mir gut tut. Ich verarbeite damit und habe Freude daran, wenn andere an meinen Gedanken teilhaben und ich im besten Fall jemanden mit meinen Zeilen inspirieren kann.

Momentan gehen viel zu viele Gedanken ein und aus. Ich schaffe es kaum mich zu fokussieren. Der Kindergartenstart der Zwillinge nach den langen Sommerferien, ein neuer Job und dann gibt es auch emotional einfach so arg viel zu verarbeiten. Aber irgendwie komme ich einfach nicht dazu. Ich funktioniere wie ein Schweizer Uhrwerk und meine Emotionen müssen hintanstehen.

Aber von Anfang an, …

Was Trauer bedeutet, hat jeder von uns schon mal erfahren müssen, in welcher Form auch immer. Ein geliebtes Tier, ein geliebter Mensch, eine Situation der man nachtrauert…uns allen ist dieses Gefühl bekannt. Doch Trauer erreicht meines Erachtens ein anderes Level, wenn es um die Trauer über den Verlust eines Elternteiles geht. Das habe ich vor 3 Jahren erfahren müssen, als meine Mama gegangen ist. Ein unglaublicher Verlust, der so arg wehtut und den man gar nicht fassen kann. Der Verlust musste zuerst einmal realisiert werden, bevor dann die Trauer einkehrte. In Wellen. Die Trauer kam in Wellen. Manchmal schwappte sie mich mit und ich wusste kaum Luft zu holen und dann wieder war sie weg. Ich bestritt meinen Alltag und alles war gefühlt wie immer. Bis wieder eine kam…eine Welle der Trauer. Die Wellen wurden mit der Zeit etwas kleiner. So richtig grosse, erreichen mich nur noch selten. Die große Trauer wurde von einem “Vermissen” abgelöst, gemischt mit mega schönen Erinnerungen, die mich immer wieder besuchen und mich aber eher lächeln lassen, anstatt dass die Trauer zuschlägt. Nicht immer, aber meistens verhält es sich so.

Und dann war ja da immer noch der Papa. Der Stein in der Brandung. Auf ihn war nach wie vor Verlass. Er war immer da. Immer in unserem schönen Elternhaus. Ein Treffpunkt für alle Geschwister. Es war nie eine Frage , WO wir uns treffen würden. Es war immer: “Wann bist du beim Papa?”

Und jetzt? Jetzt ist auch er gegangen.

Ein Verlust, den wir in ähnlichem Ausmaß schon erleben mussten, und doch erschüttert es uns vier Kinder unglaublich. Es ist nicht nur der Verlust des Papas, sondern es ist, weil jetzt niemand mehr da ist. Wir keine Eltern mehr haben.

5 Wochen zuvor, durften wir noch gemeinsam die Hochzeit unserer Cousine feiern. Papa war im Rollstuhl mit dabei. Schon alt und gebrechlich, aber mit dabei. Der Fels in der Brandung halt. Und trotzdem schien ich es schon im Gefühl gehabt zu haben. Ich hörte mich sagen, dass ich spüren würde, dass ein Abschied ansteht. Ein Abschied von zwei alten Seelen. Denn da ist ja auch noch unsere Stute “Askja”. Schon lange lebte sie ein Pferdepensions-Dasein und ist mit ihren 34 Jahren schon ein bisschen ein Pferde-Methusalem. Meine Eltern hatten eine ganz starke Verbindung zu Askja. Meine Mama sprach oft davon, dass das Pferderl ihr Krafttier sei. Beide Eltern waren schon lange nicht mehr in der Lage Askja alleine zu besuchen, aber wenn ich dann mal mit ihnen im Stall war, dann zehrten beide noch Tage später von diesem Besuch.

Es kam also nun zum großen Abschied von Papa. Die Beerdigung. Ich durfte bei der Beerdigung meiner Mama schon erleben, warum so ein zeremonieller Abschied ganz wichtig ist. Ich erlebte es neben all der Trauer als sehr schön und würdig. Und so war es auch bei Papas Beerdigung. Würdig, blumenreich, bewegend musikalisch untermalt und natürlich furchtbar traurig.

Beim Abschiedsmahl direkt nach der Zeremonie mit allen Freunden und Verwandten kam dann der Anruf: “Tierärztin ruft an” und ich wusste sofort was Sache war: Es war nun auch für Askja Zeit zu gehen.

Diese drei Seelen, die so stark miteinander verbunden waren, wollten dies auch über den Tod hinaus sein. Klingt sehr pathetisch, ich weiß. Es entspricht aber der Wahrheit. Meiner Wahrheit.

Nun heißt es sich neu aufzustellen. Wir sind alle 4 schon mehr als erwachsen und doch hat jede Familie seine Dynamik und nun müssen wir diese ändern. Oder sie ändert sich dann von ganz alleine. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich spüre lediglich, dass ich den starken Drang verspüre, den Kontakt zu meinen Geschwistern zu intensivieren.

Letztes Wochenende war ich in Wien. Wir durften den Geburtstag meiner Schwester feiern. Und das letzte Mal mein Elternhaus betreten. Denn dieses wurde verkauft und vor zwei Wochen geräumt. Das war hart. Dieses Haus, das mir so ein behagliches, großzügiges Zuhause gegeben hat, in dem ich friedvoll und sicher aufwachsen durfte. Es war nun leer und zeigte sich ein letztes mal lichtdurchflutet in voller Pracht. Die Treppen, die ein einzigartiges Geräusch machen, wenn man darauf tritt, der Parkettboden der knarzt und der einzigartige Geruch dieses alten Hauses. Auch ein Abschied. Ein so bitterer Abschied.


Meine Wienbesuche werden sich von nun an verändern. Denn die Basis ist nun nicht mehr da. Das Haus. Der Papa. Die Eltern. Der Treffpunkt für alle. Wir müssen uns dahingehend neu finden. Es wird uns gelingen, da bin ich ganz sicher. Aber bis dahin, wird mich noch so manche Welle erwischen und mit sich tragen, bevor ich dann wieder Luft erhasche , mich aufrapple und vom Familienalltag mitgetragen werde.

Es grüßt euch

Nani

3 Antworten auf „Wenn die Trauer um sich schlägt“

  1. Ich bin sehr berührt von Deinen Zeilen.
    Hab einen Kloß im Hals, es drückt aufs Herz, Tränen wollen raus.
    Was berührt mich?
    Die Trauer, die ich auch kenne. Die Trauer, die nur Deine ist.
    Deine Mama, Dein Papa, die zwar noch für Dich da sind als Erinnerung, als innere Stimme, als schützender Engel, aber nicht mehr wie bisher, als Anlaufstelle in der Gegenwart. In Wien. In dem Haus in dem Ihr aufgewachsen seid.
    Was mich besonders berührt, ist die Liebe, die da ist. Die Liebe zwischen Euch Geschwistern und die Liebe zu Deinen Eltern. So wünschenswert schön und alles andere als selbstverständlich. Wie erfüllend muss es für Eure Eltern sein, in dem Wissen zu gehen, dass so viel Liebe bleibt.
    Neid wäre das falsche Wort. Aber Ihr habt etwas, das ich auch gerne hätte. Dahinter steckt viel “Arbeit”. Vor allem an sich selbst. Man muss den anderen Familienmitgliedern zuhören, verstehen, verzeihen, aufeinander zugehen, sich Zeit schenken, manches nur aushalten, über sich selbst lachen können, großzügig reagieren, selbst Schwäche zeigen, miteinander etwas erleben wollen. Und es auch tun.
    Ihr seid großartig!!! Ihr seid steffl.
    Bussi, Iris

  2. Danke liebste Nani, dass du diesen wundervollen und sehr privaten Text mit uns teilst. Das du offen und ehrlich über das „trauern“ sprichst und immer noch ein wenig Humor rein packst. Du bist mega toll! Danke nochmals, dass du unsere „Lese Durststrecke ‚ beendet hast 😉

  3. Liebe Nani!!
    So schöne Worte hast du gefunden, um das zu beschreiben, was wir vier Geschwister gerade durchmachen!
    Da du aber, zum Unterschied von mir eine eigene Familie hast, habe ich andere Trauererfahrungen durchlebt, bzw. erlebe sie. Ich konnte ja sozusagen jederzeit drauflosheulen und den Schmerz also in sehr tiefen Wellen über mich ergehen lassen. Die vielen Tränen erleichtern das Loslassen. Es klingt vielleicht seltsam, aber ich wünsche dir noch viele Momente zum Innehalten und weinen….
    Zum Glück wissen wir aber, dass wir „nur“ die physische Präsenz loslassen müssen, und fühlen ja ihre beiden erleichterten und gesunden Seelen oft ganz nah bei uns!!
    Ich liebe dich, meine kleine Schwester und bin in Gedanken jetzt noch öfter bei dir!!
    Deine Danirelle

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